Neuerscheinungen

LINOWIRAG.DE | Linoblog:
Komisches, Kritisches, Unerhebliches aus Lino Wirags Text-Bild-Werkstatt. Quasi täglich.

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Toll.

Wirag meldet sich an dieser Stelle in Kürze:

- Mit einem Essay zur Komik im Kinderbuch
- Mit Bemerkungen zum Populären Sachbuch
- Mit Gedanken zu zehn Jahren Netzliteratur
- Mit einem neuen Buch

Wir bitten noch um einige Tage Geduld.

Nachtrag:
- Unerhebliches über Buchtrailer
- Und einer suhrkamp-Rezension

Links

- Interview mit Wenzel Storch
- Soboczynskis Fick-dick-Netz-Artikel zum Mitdiskutieren
- Missverständnisse in Klagenfurt
- Meine Liebsten in Klagenfurt
- Kehlmann und Passig übers Schreiben
- Wittstocks Büchertagebuch
- Trulli Zeh über Echtheitswahn in der Literatur
- Literaturbetrieb als Lifestyle. Yeah!
- Premortales Interview mit Kling
- Zur Causa Marbach-Suhrkamp
- Radiofeature zu Gernhardt
- Interessanter Reader zum Litbetrieb
- Man hört von mir.

Eine sehr nachträgliche Rezension

... zum Kulturtagebuch von Ingo Steinhaus. Mit einem doch arg martialischen Zitat von mir. Huibui.

Causa Slamoverkill

Spiegel hat eh seine Liebe zum Poetry Slam (auch trotz Kommerzes) entdeckt, warum nicht auch gleich noch vom Science Slam oder Phiosophy Slam berichten? Wir warten auf Kochslams, Betslams oder gleich Tennisslams (Grand Slam).

Selber, Arschloch!

Guckuck, Spiegel!

Auf den naheliegenden Gedanken, dass die Handvoll Superbrains, die deinen sog. PISA-Test vollständig richtig beantworteten, nicht einfach die Fragen so oft wiederholten, bis alles passte, bist du noch nicht gekommen? Aber auf 8 Seiten aufgeblasen - und das im Print. Respekt.

Kreativität und Krise

Ein kurzer, datensatter Essay, in ähnlicher Form in der nächsten Ausgabe des Lichtwolf:

Die Zukunft wird in der Ideenschmiede gepunzt
Wie die Kreativen die Wirtschaft retten


Jean-Remy von Matt war am Drücker. Vor zwei Wochen jammerte der Edelwerber mit Professur via Spiegel, dass in Zeiten wirtschaftlicher Not immer am Wichtigsten gespart werde: seiner Branche nämlich. Er empfahl Humor gegen schlechte Kauflaune. Das Unterwäschelabel Bruno Banani bewies auf einem Großplakat prompt, dass Spitzenpolitiker auch in bunter Unterwäsche gut dastehen. Branchenkollege Stefan Kolle sah's anders: Nicht der „lustige Werbefuzzi“ sei gefragt, sondern „Berater mit kreativer unternehmerischer Intelligenz“, die Werte vermitteln, kurz: „politisch und gesellschaftlich denkende Menschen“. Das war neu.
Die Werbebranche zwingt sich zum Umwerten, vor allem natürlich aus wirtschaftlichen Gründen: Laut Handelsblatt kappt jeder zweite Werbetreibende in diesem Jahr seinen Etat. Und doch: „Werte sind gefragt – die Kunden wollen wissen, ob eine Marke ihr Leben bereichert“, glaubt Frank Dopheide von der Agentur Grey. Werbung, die in schlechten Zeiten erbaut statt zu nerven: Das klang fast zu schön, um wahr zu sein. Die Branche, die sich vorwiegend als letzter Statthalter des schönen Scheins feiert – so beim pompösen Jahrestreffen des Art Directors Club –, soll auf einmal Verantwortung übernehmen? Die Kreativen schaffen neue Werte, bieten Orientierung in veränderter Umgebung. Weil grad niemand anderes kann – oder Vertrauen genießt. Und sie haben nicht den schlechtesten Zeitpunkt gewählt.



Die weltweite Wirtschaftskrise, Kurzarbeit und Exportnot zwingen Hersteller und Logistiker zu einer Atempause. Nur die Berufsdenker haben jetzt noch zu tun. Oder: gerade jetzt. Sie nutzen ausbleibende Aufträge, um frei vom Wettbewerbsdruck Ideenreserven für die Zeit nach der Krise anzulegen, und handeln damit intuitiv gut keynesianisch. Wenn Immobilienpreise abstürzen, Spareinlagen versickern, ist kreativer Rat wertvoll. Nicht nur, um mit lustigen Facebook-Applikationen von der kargen Wirklichkeit abzulenken. Auch weil Ideen – im Gegensatz zu Autos, Unterhosen und Porzellan – keinen Lagerplatz wegnehmen. Gute Gedanken fangen nicht an zu schimmeln, wenn man sie in einem Frachtschiff liegen lässt. Und sie sind vergleichsweise billig herzustellen, in Notfall ganz analog mit Stift und Papier. Die Arbeit des frühen 21. Jahrhunderts wird ohnehin immer immaterieller, sie bringt inzwischen mehr Marken als Güter, mehr Lebensmodelle als Konsumwelten hervor. Die Journalistin Mercedes Bunz, Fachfrau für moderne Weltaspekte, schreibt: „Das Produkt steht nicht mehr im Mittelpunkt der Kreativität.“ Und auch nicht mehr dessen Herstellung und Vertrieb. Sinkenden Mieten und Ausgaben für Lebensunterhalt und Arbeitsmaterial erleichtern Neugründungen gerade in der Krise. Budgets werden kurzfristiger vergeben, so dass auch schnelle, schmutzige Ideen, unkonventionelle Formate und kleine Fische ihre Chance bekommen. Die ganze „kreative Klasse“, die ihr Erfinder Richard Florida in den USA auf mindestens 40 Millionen Menschen - und das heißt: Arbeitsplätze -schätzt, klammert sich tapfer fest. „Recession is the mother of invention“, behauptet der selbsternannte Wirtschaftsweise Florida und verspricht mehr als 10 Millionen neue Jobs in den „creative industries“ der nächsten Dekade. Er sieht die Krise als Chance für einen Neustart, als „great reset“, den vor allem die Kreativen in einem Prozess des „urbanen Metabolismus“, der einen Stoffwechselkreislauf aus Geschwindigkeit, Innovationsdichte und Wachstum verspricht, leisten sollen. Florida glaubt, dass sie ausersehen sind, die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Zukunft zu konturieren.
Die Zahlen scheinen ihm Recht zu geben: Am 11. Mai 2009 schwärmte die amerikanische Forbes von einem „Triumph“ der Kreativarbeiter, die von der Präsidentenwahl vergleichsweise stark profitiert hatten. Michael Mandel, Chefökonom der BusinessWeek, rechnete vor, dass die Arbeitsplätze in den traditionellen Wirtschaftsbereichen der USA (Produktion, Konstruktion, Transport) im Jahr 2008 um 1,8 Millionen geschrumpft waren, während in der Kreativwirtschaft mehr als 500000 Jobs entstanden. Selbst Deutschland, Wiege einer hochsubventionierten Kulturlandschaft, hat gute Nachrichten für die schöpferischen Privatwirtschaft. „Die Kultur- und Kreativwirtschaft hat gegen den allgemeinen Trend im Jahr 2008 positive Wachstumszahlen geschrieben“, stellte der Forschungsbericht „Kultur- und Kreativwirtschaft“ des Bundeswirtschaftsministeriums im Februar fest. Die Geistesarbeiter stehen auch deshalb nicht schlechter da als zuvor, weil sie sich so schnell nicht kopfscheu machen lassen: wirtschaftliche Zitterpartien, niedrige Einkommen und menschenwidrige Arbeitszeiten kennen die vielen Einzelkämpfer der Branche schon aus Zeiten vor dem Einbruch.
Skeptische Nachfragen werden allerdings nicht lange auf sich warten lassen: Wie sollen ausgerechnet Werbetexter, Philologen und Feingraveure einer Weltgesellschaft helfen, wieder zu sich zu finden, sind sie nicht selbst Nutznießer (oder im besten Fall Zierrat) eines erkrankten Wirtschaftssystems? Wie kann der postfordistische Arbeitsmarkt aussehen, wenn die Deutschen, wie SAP-Gründer Hasso Plattner glaubt, den Kapitalismus gar nicht mehr wollen, sondern „was anderes, Netteres“? Die Kreativen versuchen, Antworten zu liefern, vor allem im Interesse ihrer eigenen Zunft – und Zukunft.
Zum Beispiel Sascha Lobo: Der ehemalige Werbetexter ist inzwischen Freiberufler, Vielblogger, und führt bisweilen die Twittercharts an. Seine Bücher (für Lobo im Verschwinden begriffene „Holzmedien“) verheißen nicht weniger als eine Generalrevision der bestehenden Arbeitsverhältnisse aus Bürotürmen und Sekretärinnenkummer. Mit dem Buch „Wir nennen es Arbeit“ etablierte er zusammen mit Holm Friebe 2006 den Begriff der „digitalen Bohème“, anderswo als urbanes Mit-Mac-bei-Starbucks-Prekariat belächelt. In „Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin“ legte er mit Kathrin Passig dar, wie Erfolg auch von Nichtstun kommen kann. Auch der erwähnte Friebe hat Visionen: In seinem aktuellen Buch ,,Marke Eigenbau“ hofft er auf den „Aufstand der Massen gegen die Massenproduktion“, auf die Wiederkehr des Selbermachens im Antlitz seelenloser fernasiatischer Plastikprodukte. Wie in solchen zu-spät-kapitalistischen Utopien die Leistungsethik, der „animal spirit“ der Wettbewerbsgesellschaft, vom Tisch gewischt oder zumindest mit dem Versprechen auf eine individualisierten Arbeitswelt aus Flow und Frappuccino abgedämpft wird, macht Hoffnung. Und Spaß. Lobo und Kollegen führen vor, wie neue Lebens- und Arbeitsmodelle aussehen könnte – freilich vorerst nur für eine kleine Elite, die ihre Avantgardeposition nicht nur selbst behauptet, sondern auch clever vermarktet.
Die Aufmerksamkeit für die Lobos dieser Welt wird nicht auf sich warten lassen – schließlich gibt es viele Unternehmen, die beim nächsten Mal besser vorbereitet sein wollen. Sie haben mit Stanford-Ökonom Paul Romer ihre Lektion gelernt: „A crisis is a terrible thing to waste.“

LINO WIRAG

Frisch erschienen:

Der dtv-Gedichtband Smile, der Wirtschaftskrise und Lyrikabstinenz mit absurd niedrigem Preis trotzt. Mit tollen Beiträgen komischer Lyriker (Gernhardt, Schönen), als jüngster ein Siewissenschonwer.

Nachruf

Faszinierende Schwarzweiß-Komplexe
Zum Tod des Zeichners Paul Flora


Mit dem Tod stand er auf gutem Fuß: Den Pestdoktor, der durch den dichten, venezianischen Nebel zu den Sterbenden eilt, hat er immer wieder gezeichnet. Die lange Nase läuft ihm mahnend voraus, die Maske larviert die Augen. Jetzt ist Paul Flora am 15. Mai 2008 im Alter von 87 Jahren gestorben.

1922 im Südtiroler Glurns geboren, wuchs der Arztsohn in Innsbruck auf und zog sich dort in eigenen Worten einige „interessanten Komplexen zu, welche seither meine Geschäftsgrundlage bilden“. Gemeint war nicht nur seine rabenschwarze Weltsicht, sondern auch seine zeichnerische Begabung. Vor allem Floras frühere Arbeiten, die des Karikaturisten, erinnern mit ihren fast höflichen, immer ein wenig zu exakten Linien an Olaf Gulbransson: Bei ihm hatte er studiert, hier hatte er gelernt, aus einem weißen Blatt nur das Wichtigste, die Konturen herauszumeißeln. Auch seine Wahlverwandtschaft mit Klee, Steinberg und dem frühen Feininger ist nicht zu übersehen, besonders Alfred Kubin beeindruckte den jungen Flora. Viele von Floras visuellen Einfällen erinnern an diesen Jahrhundertwende-Meister der Groteske, oder, mit Floras Worten: „Wir agieren auf Schultern von Riesen, und einer dieser Riesen ist Kubin, der wichtigste Zeichner Österreichs.“



Bald stand Paul Flora auf eigenen Füßen: Seine Karikaturen für die Hamburger „Zeit“ machten ihn bundesweit bekannt, ersten Ausstellungen nach dem Kriegsende folgten unzählige in aller Welt. Dazu kamen seine Bücher – seit den 50ern veröffentlichte er bei Diogenes Band um Band (der Debütband hieß wortspielerisch „Floras Fauna“), einem Verlag, der noch immer eines der ambitioniertesten Cartoonprogramme der Welt bedient – mit Zeichnern wie Ungerer, Sempé, Loriot, Waechter, Bosc oder Chaval. Erst Anfang der Siebziger beendete Flora seine Tätigkeit für die „Zeit“ nach rund 3500 Blättern – dabei war er nie durch Wünsche oder gar korrigierende Eingriffe von der Redaktion in seiner Tätigkeit gestört worden.

Die Stahlfeder ist ein magisches Instrument, Tusche schwarzes Blut. Wer einmal mit der eigenen Hand erprobt hat, welch aufregende Linienvielfalt sich mit einer Tuschfeder zu Papier bringen lässt, nimmt nie wieder einen Filzstift in die Hand. Für einen Schraffeur wie Paul Flora war der Federhalter eine Waffe, mit der er das Papier bearbeitete. Seine Blätter gewinnen plastische Qualität, der Betrachter fühlt sich eingeladen, darüberzustreichen, die feinen Furchen nachzufahren, die die Zeichnung im Blatt hinterlassen haben muss. Flora benötigte kaum Farbe, arbeitet in die Fläche. Seine Arbeiten sind oft Kombinationen aus einer freischwebenden Linie und mit Schraffur gefüllter Fläche: dünn und dicht musste sie sein. Sein Verfahren war das des Radierers, der sich in den Zeichengrund eingräbt, die Bildvision aus ihm herausarbeitet. Seine Grauwertvarianten sind unübertroffen, feinste Hell-Dunkel-Abstufungen entstehen aus einer dichten Kreuzschraffur, Schattierungen, Wölbungen, Schnittflächen. Ein Zeichner, der das Blatt immer wieder wendet, dreht, bis er den richtigen Ton getroffen hat. Flora konnte mit schwarzer Tusche sogar Schnee aufs Papier bringen. Fleißarbeit, schmerzende Handgelenke am Abend.

Paul Flora attestierte sich selbst einen „Hang zu Unheimlichkeiten, abgemildert ins ironisch Liebenswürdige.“ Er war ein Humanist, aber ein skeptischer, dem alles Laute zuwider war, Pathos jeder Couleur war ihm fremd. Seine Bilder wirken manchmal düster, fast immer melancholisch. Es sind Motive, die aus dem Grotesken schöpfen, die Angst und Gelächter zusammenbinden: Immer wieder verlorene Menschenfiguren, karge Natur und befremdliches Getier, nicht selten Chimären. Ulrich Weinzierl beschreibt eindrucksvoll Floras Themen- und Figurenpalette: „Voluminöse Damen Marke Walküre herzten den zwergwüchsigen Richard Wagner. Bürgerliche Wüstlinge trafen auf Attentäter, Dichter auf Denker und äußerst bärtige Revolutionäre. Verfallen war Flora dem Reiz venezianischer Masken und Veduten in ihrer welken Pracht. Er hatte eine Schwäche für Marionetten und k. u. k. Offiziere in voller Montur, für Ratten und Nonnen, für kahle Bäume in Winterlandschaften … Sein Wappentier aber war der Rabe, ein Wesen von abgründiger, gefährlicher Weisheit.“ Bei soviel charmanter Weltabgewandtheit war es nur folgerichtig, dass im Jahr 2007 der Asteroid 85.411 nach Paul Flora benannt wurde.

Er ist also immer noch da draußen.

LINO WIRAG (für librikon.de)


via http://www.profutura.ch/img/bilder/kunst_edition/paul_flora1.jpg

transeuropa 2009

Europa in niedersächsischen Hinterhöfen
Die junge europäische Theaterszene trifft sich in Hildesheim


Zuerst ist alles Nebel. Schuld sind die Belgier, die drei jungen Belgier. Sie waten durch den Nebel, versuchen, einander zu finden, sich selbst zu finden, irgendetwas zu finden in dem ganzen Nebel. Die drei Belgier haben Mark Z. Danielewskis gespenstisches Literaturexperiment „House of Leaves“ in einem leerstehenden Hinterhofhaus nachgebaut – und wer ihr Stück sieht, bekommt eine Ahnung davon, wie es um die junge europäische Theaterszene bestellt ist: Neblig, und auf der Suche nach sich selbst.
„Know Some Call Is Air Am“ war am vergangenen Donnerstag einer der ersten Produktionen des Hildesheimer Theater- und Performancefestivals „transeuropa2009“. An sieben Abenden kommen noch bis zum 20. Mai mehr als zwanzig Arbeiten zur Aufführung, von Wolfram Sanders One-Man-Band, die mit „Licht-Cues und Sound-Effects“ den Gesang der Sirenen reanimiert, bis zu Ana Vujanovic und Saša Asentic aus Belgrad, die in einer Performacelesung die (bislang unbekannte) Geschichte der serbischen Tanzszene kritisch rekonstruieren. Dass das mittlerweile sechste „transeuropa“-Festival den Subkontinent nicht umsonst im Titel führt, zeigt der Blick auf die Gästeliste: 2009 sind junge Künstler aus Belgien, Serbien und der Türkei nach Niedersachsen eingeladen. Aber die europäischen Interessen werden auch im Rahmenprogramm wahrgenommen: In sogenannten Bürgersitzungen diskutieren Zuschauer und Experten wie Michael Buckup, ehemaliger Meinungsforscher der EU, im Rathaussaal über die Zukunft der europäischen Theaterlandschaft. Fragen wie „Wenn Europa eine Farbe hätte, welche wäre das?“ sind dabei keine Seltenheit.



Abends sind es vom Tanzworkshop zur Trashparty nur wenige Luftminuten: Das Festival bespielt die Stadt. Die Eröffnung findet auf dem Marktplatz statt, inmitten grell historisierender Bauten aus den achtziger Jahren, von dort aus erobern die Produktionen Kirchen, Rockclubs und das Rathaus. Das Festivalzentrum hat sich in einem ehemaligen Berufsinformationszentrum festgesetzt, einen Backsteinbau, der auch Filmlounge, Archivzimmer und die festivaleigene Zeitung „transport“ beherbergt. Dass „transeuropa“ ein studentisches Festival ist, merkt man erst beim Blick auf den Spielplan, so ausgeklügelt kommen Programmatik und Corporate Identity daher. Hildesheim lockt mit einer praxisnahen kulturwissenschaftlichen Ausbildung, auch die Organisatoren des Festivals rekrutieren sich aus diesem fast kostenlosen Kreativpool. Also ist spät abends „WG-Hopping“ angesagt, mit „Pokerrunden und Kochwettbewerben“, und Parties, natürlich, zur „praktischen Grenzüberwindung“. In der kleinen Großstadt können es sich die Festivalmacher leisten, nicht in den Mustern des Kulturbetriebs zu denken, ihrer Begeisterung für Theorie, für Hintergründe, ungewöhnliche Formen und Details freien Lauf zu lassen. Schon das Motto verrät den gefühlten Grad der Auseinandersetzung: Um Grenzen soll es dieses Jahr gehen – „What's your border worth?“ fragt das Festival Künstler und Besucher –, am besten gleich um all die „territorialen, sozialen, kulturellen und individuellen Absperrbänder“. Das ist viel.
Und wirklich: Auf den abendlichen Parties treffen sich die Belgier, die Serben, die Deutschen, die Türken, und sprechen über ihr Theater, und darüber, dass die europäischen Grenzen nur noch in den Köpfen bestehen. Für „transeuropa“ können keine großen Namen eingekauft werden – entstanden ist deshalb ein Festival, bei dem die jüngste Generation von Theatermachern zusammentrifft, die in ein paar Jahren vielleicht den europäischen Theaterdiskurs mitbestimmen werden.
Denn wie gesagt: Zunächst liegt noch alles im Nebel. Erst langsam setzt er sich, gibt den Blick frei auf eine junge, europäische Szene, die noch viel vorhat.

JAN FISCHER, LINO WIRAG

Was L.W. so macht:

■ süffelt nach 9 noch Kaffee
■ sieht irgendwie nie richtig (hin)
■ liest schön was weg (Henscheid-Werkausgabe, Slottis Kritik der zynischen Vernunft, Spinnen-Essays, Kinderkomik-Sammelbände, Porombka-NS-Schwarten, Krechellyrik, das deutsche Zeitungsfeuilleton [täglich!], Baudrillards System der Dinge, Eco übers Bücherliebhaben, leider "irgendwie" auch Spiegel)
■ schreibt Nachrichten ins SZ-Feuilleton
■ hat seine Metzler-Aufsätze auch mal fertig
■ macht bald irgendwas mit Werbung
■ hat all seine Scheine im Sack [Freudentanz]
■ zieht nach Giesing, um schneller zu pauperisieren/gentrifizieren
■ "darf" im Sommer nach Görlitz
■ wird sein ZEIT-Abo nicht kündigen
■ schaut "Heroes", weil seine Freunde ihm das empfohlen haben, und Dietmar Dath schließlich auch Buffy-Fan ist
■ findet Facebook lustig
■ hat also quasi wieder Spaß am Leben

■ Nachtrag: sitzt 9 to 5 in einem Büro

Presse

De:Bug #106 über die Schreibschule Hildesheim: "Die hier auch aufgerufenen Hildesheimer agieren nicht so gleichförmig wie ihre Leipziger Schulkameraden, daher aber gilt 'Hildesheim' auch nicht so sehr als Label."

Was für wunderbare Sätze

... Dr. Mercedes Bunz schreiben kann: "In Berlin ist zum Beispiel ein mächtiger Vertreter der Musikwirtschaft, das Major Label Universal Music Group, das vor ein paar Jahren nach Berlin gezogen ist, wirtschaftlich stark angeschlagen."

Hiermit melde ich Copyright

... auf die Wortschöpfung "zu-spät-kapitalistische Verhältnisse" an.

Zu hören

... ist von L.W. ("Die Dinge sprechen hör ich so gern") jetzt auf Litradio unter diesem schönen Link. Dank an Clara und Viktor! (Übr. auch gestern via Perlentaucher)

Das schreiben die anderen ...

Heute schreibt die PZ über den Pforzheimer Poetry Slam der Gebr. Wirag. Featured Poet war Harry Kienzler.
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