Shocking short
Meine Liebe
Du bist so geheimnisvoll, meine Liebe, voller versteckter Charakterzüge, verspielt. Ich entdecke immer wieder neue Seiten an dir.
Ich liebe dein Haar, wenn es im Mondlicht leuchtet. Okay, viele Haare sind dir schon ausgefallen, und „Leuchten“ ist vielleicht. nicht das richtige Wort, sondern eher: Glänzen, wie das Fell einer ertrunkenen Katze im Schilf.
Aber was macht das schon, wenn wir uns lieben, nicht wahr?
Und ich liebe deine Haut; sie ist weich wie Schimmelkäse, und manchmal, besonders nachts, macht sie merkwürdige Geräusche, wenn man hineindrückt; wie eine überreife Tomate klingt das, aber was macht das schon, wenn wir uns lieben? Du nickst, oder habe ich mir das nur eingebildet?
Aber ich liebe dich nicht nur mit Haut und Haar, ich liebe auch deinen Geruch, die Nuancen schweben zwischen frischem Hackfleisch mit Zwiebeln, rostigen Nägeln, frischgeschlachtetem Kalb und diesem Zeug aus dem Chinaladen. Aber was macht das schon, wenn wir uns lieben?
Denn auch dein Geschmack versetzt mich ganz und gar in Extase. Wenn ich deine Haut ablecke, gleicht er alter Lakritze, dann wieder schmeckst du, als würde mir ein Urinstein auf der Zunge zergehen, besonders weiter unten. Andere wissen das nicht zu schätzen, aber was macht das schon, wenn wir uns lieben?
Und ich mag auch die Art, wie du dich anziehst, meine Liebe, das weiße Kleid, das du immer trägst, wenn wir uns treffen, ist himmlisch, und man kann ein bisschen durchsehen. Es wird zwar langsam gelb und bekommt diese grindartigen Häuserwandflecken, aber wenn du es mir erlaubst, meine Liebe, werde ich das Kleid mitnehmen und waschen, natürlich von Hand, der Stoff ist einfach zu empfindlich. Du nickst, sehe ich das richtig? Wunderbar.
Und wenn ich dich besuche, dann bringe ich dir all die schönen Dinge mit, die du dir wünschst: Lack für deine Fingernägel, Puder für deine Wangen. Ich schminke dich, während du schläfst, sprühe ich dich mit Sagrotan ein und poliere deine Oberflachen, bis sie glänzen wie Elfenbein. Du sagt, es gefällt dir, und ich bin verrückt danach.
Ich mag es auch, wie du dein Zimmer einrichtest – ich darf es doch Zimmer nennen, meine Liebe? – es ist wunderbar schlicht, fast japanisch. Kunstholztäfelung, die Wände sind mit weißen Tüchern verkleidet, und überall Kissen, man möchte sich hineinlegen und nie wieder aufstehen. Schmuck trägst du nicht gerne, aber als sie dir den Ehering abnehmen wollten, habe ich protestiert. Jetzt glänzt er wieder an deinem Finger wie der Schraubverschluss zu deinem Herzen.
Wenn wir Spaziergänge machen, du und ich, nachts, unter der blassen Riesenmünze des Mondes, dann hängst du schwer in meinem Arm, fast leblos, staubiger Geruch steigt von deinen Haaren auf. Ich lese in letzter Zeit viele Liebesgedichte, weißt du, den „Raben“ beispielsweise von Edgar Allen Poe. Ich fürchte fast, ich bin ein bisschen kitschsüchtig geworden.
Eines muss ich dir noch sagen: Die Leute, mit denen du deine Wohnung teilst, sind mir nicht recht, und ich wünsche mir oft, du würdest umziehen. Hast du nie bemerkt, was für eine langweilige Gesellen sie sind, diese Opas und Omas, die den ganzen Tag im Bett liegen und riechen, als wären sie schon 100 Jahre tot? Okay, es ist deine Familie, sagst du jetzt, und Blut ist dicker als Wasser, aber wir waren schließlich verheiratet. Wenn du wieder zu mir ziehst, dann schiebe ich dir einen Drehstuhl ans Fenster im ersten Stock, da kannst du sitzen und aus dem Fenster sehen, so viel du willst.
Ich weiß, dass deine Verwandten es nicht mögen, wenn ich dich besuche, aber was macht das schon, wenn wir uns lieben? Außerdem hat jeder Mensch, nun ja, körperliche Bedürfnisse, und was gibt es Schöneres als das Hoheamt der Liebe, vollzogen zwischen Mann und seinem angetrautem Weib?
Und schließlich, das darfst du nicht vergessen, ist es immer noch ziemlich aufwändig, zur dir zu kommen: Tränen, Schweiß und manchmal Blut. Ich muss warten, bis es dunkel wird, über die Mauer klettern. Achtgeben: der Wachmann patroulliert mit dem Hund. Eiserne Krallen forken nach meiner Kleidung, ich reiße mir ein Loch ins Knie, als ich von der Mauer springe, rolle über bekiesten Grund. Liegen. Lauschen. Hat mich nicht entdeckt. Die Schmerzen ertrage ich für dich, weil ich dich liebe. Es ist dunkel wie hinter einer Blindenbrille, Äste zerkratzen meine Wangen, ich stolpere über Steinmäler, irre durch die Reihen, auf der Suche nach dir. Die Namen sind im Vorbeihasten kaum zu erkennen. Großmann, Kallhardt, Kienzler, dann: Mischnowski. Endlich.
Ich hole die Brechstange auf dem Rucksack, der Taschenlampenstrahl des Wachmanns flitzt durch die Hecken wie ein Irrlicht. Der Hund heult, hoffentlich nur mondsüchtig. Weil wir uns lieben. Ich setzt die Brechstange an der Platte an, das Knirschen des Marmors ist unsere Melodie; ich drücke, meine Oberarme stehen in Flammen, dann ist die Öffnung groß genug. Moosatem schlägt mir entgegen. Wärterlicht fetzt über meinen Scheitel, als ich hinabsteige.
Die Treppen hinab, meine Liebe. Hinab zu dir.
Deine Mutter hat schon wieder Anzeige gegen mich erstattet, kannst du dir das vorstellen? Sie sagt, ich erweise dir nicht genügend Respekt! Respektiere ich dich nicht gerade, indem ich immer noch für dich da bin?
Unten. Der Vierte von links ist deiner, meine Liebe, ich habe ihn vorhin dein Zimmer genannt. Ein Holzpflock hier drin, das wäre ein übler Scherz. Nein, meine Liebe, beruhige dich, ich mache mich nicht über dich lustig. Der rote Schein des Teelichts ist ungemein romantisch: Ich habe die Kerze oben von jemanden anderem mitgenommen, nur für dich. Ich trete an dein Bett. Du schläfst ja! Du bist schön wie am ersten Tag, nur schrecklich bleich bist du geworden, du solltest öfters nach draußen; vielleicht auch einmal bei Tag. Ich sprühe Sagrotan, das Fenistil-Gel hält die Insekten fern, wenn man es dick genug aufträgt. Ich nähere mich deinen Lippen. Wie kühl dieser Kuss!
Du schweigst, ich werde dich schon auftauen. Ich lege mich zu dir ins Bett, ziehe uns den Deckel über den Kopf. Jetzt haben wir es schön warm. So still wie hier ist es nirgends.
Als ich erwache, ist es immer noch dunkel. Ich blicke auf die Leuchtziffern meiner Digitaluhr. Es ist 13:34, draußen scheint sicher die Sonne. Es ist Juli. Möchtest du mit mir hinaus? Ein bisschen Farbe tut dir gut.
Außerdem sind wir nicht allein.
Sie warten schon, draußen, ich kann die Sirenen hören, die Stimmen, die sich überkreuzen, vermischen. Auch deine Mutter ist dabei, sie ruft: „Er hat es schon wieder getan!“ Möchtest du ihr Hallo sagen?
Jetzt höre ich ihre Fußschritte. Sie kommen nach unten. Klirren. Haben mein Werkzeug gefunden. Hunde schnüffeln. Wir werden sie überraschen. Sie werden es lieben.
Ich fasse deine Hand. Wenn du nicht winken willst, winke ich für dich. Setze mein bestes Lächeln auf. Mit beiden Füßen trete ich den Deckel von uns herunter.
Deine Mutter und ich, wir schreien wirklich unheimlich laut.
Du bist so geheimnisvoll, meine Liebe, voller versteckter Charakterzüge, verspielt. Ich entdecke immer wieder neue Seiten an dir.
Ich liebe dein Haar, wenn es im Mondlicht leuchtet. Okay, viele Haare sind dir schon ausgefallen, und „Leuchten“ ist vielleicht. nicht das richtige Wort, sondern eher: Glänzen, wie das Fell einer ertrunkenen Katze im Schilf.
Aber was macht das schon, wenn wir uns lieben, nicht wahr?
Und ich liebe deine Haut; sie ist weich wie Schimmelkäse, und manchmal, besonders nachts, macht sie merkwürdige Geräusche, wenn man hineindrückt; wie eine überreife Tomate klingt das, aber was macht das schon, wenn wir uns lieben? Du nickst, oder habe ich mir das nur eingebildet?
Aber ich liebe dich nicht nur mit Haut und Haar, ich liebe auch deinen Geruch, die Nuancen schweben zwischen frischem Hackfleisch mit Zwiebeln, rostigen Nägeln, frischgeschlachtetem Kalb und diesem Zeug aus dem Chinaladen. Aber was macht das schon, wenn wir uns lieben?
Denn auch dein Geschmack versetzt mich ganz und gar in Extase. Wenn ich deine Haut ablecke, gleicht er alter Lakritze, dann wieder schmeckst du, als würde mir ein Urinstein auf der Zunge zergehen, besonders weiter unten. Andere wissen das nicht zu schätzen, aber was macht das schon, wenn wir uns lieben?
Und ich mag auch die Art, wie du dich anziehst, meine Liebe, das weiße Kleid, das du immer trägst, wenn wir uns treffen, ist himmlisch, und man kann ein bisschen durchsehen. Es wird zwar langsam gelb und bekommt diese grindartigen Häuserwandflecken, aber wenn du es mir erlaubst, meine Liebe, werde ich das Kleid mitnehmen und waschen, natürlich von Hand, der Stoff ist einfach zu empfindlich. Du nickst, sehe ich das richtig? Wunderbar.
Und wenn ich dich besuche, dann bringe ich dir all die schönen Dinge mit, die du dir wünschst: Lack für deine Fingernägel, Puder für deine Wangen. Ich schminke dich, während du schläfst, sprühe ich dich mit Sagrotan ein und poliere deine Oberflachen, bis sie glänzen wie Elfenbein. Du sagt, es gefällt dir, und ich bin verrückt danach.
Ich mag es auch, wie du dein Zimmer einrichtest – ich darf es doch Zimmer nennen, meine Liebe? – es ist wunderbar schlicht, fast japanisch. Kunstholztäfelung, die Wände sind mit weißen Tüchern verkleidet, und überall Kissen, man möchte sich hineinlegen und nie wieder aufstehen. Schmuck trägst du nicht gerne, aber als sie dir den Ehering abnehmen wollten, habe ich protestiert. Jetzt glänzt er wieder an deinem Finger wie der Schraubverschluss zu deinem Herzen.
Wenn wir Spaziergänge machen, du und ich, nachts, unter der blassen Riesenmünze des Mondes, dann hängst du schwer in meinem Arm, fast leblos, staubiger Geruch steigt von deinen Haaren auf. Ich lese in letzter Zeit viele Liebesgedichte, weißt du, den „Raben“ beispielsweise von Edgar Allen Poe. Ich fürchte fast, ich bin ein bisschen kitschsüchtig geworden.
Eines muss ich dir noch sagen: Die Leute, mit denen du deine Wohnung teilst, sind mir nicht recht, und ich wünsche mir oft, du würdest umziehen. Hast du nie bemerkt, was für eine langweilige Gesellen sie sind, diese Opas und Omas, die den ganzen Tag im Bett liegen und riechen, als wären sie schon 100 Jahre tot? Okay, es ist deine Familie, sagst du jetzt, und Blut ist dicker als Wasser, aber wir waren schließlich verheiratet. Wenn du wieder zu mir ziehst, dann schiebe ich dir einen Drehstuhl ans Fenster im ersten Stock, da kannst du sitzen und aus dem Fenster sehen, so viel du willst.
Ich weiß, dass deine Verwandten es nicht mögen, wenn ich dich besuche, aber was macht das schon, wenn wir uns lieben? Außerdem hat jeder Mensch, nun ja, körperliche Bedürfnisse, und was gibt es Schöneres als das Hoheamt der Liebe, vollzogen zwischen Mann und seinem angetrautem Weib?
Und schließlich, das darfst du nicht vergessen, ist es immer noch ziemlich aufwändig, zur dir zu kommen: Tränen, Schweiß und manchmal Blut. Ich muss warten, bis es dunkel wird, über die Mauer klettern. Achtgeben: der Wachmann patroulliert mit dem Hund. Eiserne Krallen forken nach meiner Kleidung, ich reiße mir ein Loch ins Knie, als ich von der Mauer springe, rolle über bekiesten Grund. Liegen. Lauschen. Hat mich nicht entdeckt. Die Schmerzen ertrage ich für dich, weil ich dich liebe. Es ist dunkel wie hinter einer Blindenbrille, Äste zerkratzen meine Wangen, ich stolpere über Steinmäler, irre durch die Reihen, auf der Suche nach dir. Die Namen sind im Vorbeihasten kaum zu erkennen. Großmann, Kallhardt, Kienzler, dann: Mischnowski. Endlich.
Ich hole die Brechstange auf dem Rucksack, der Taschenlampenstrahl des Wachmanns flitzt durch die Hecken wie ein Irrlicht. Der Hund heult, hoffentlich nur mondsüchtig. Weil wir uns lieben. Ich setzt die Brechstange an der Platte an, das Knirschen des Marmors ist unsere Melodie; ich drücke, meine Oberarme stehen in Flammen, dann ist die Öffnung groß genug. Moosatem schlägt mir entgegen. Wärterlicht fetzt über meinen Scheitel, als ich hinabsteige.
Die Treppen hinab, meine Liebe. Hinab zu dir.
Deine Mutter hat schon wieder Anzeige gegen mich erstattet, kannst du dir das vorstellen? Sie sagt, ich erweise dir nicht genügend Respekt! Respektiere ich dich nicht gerade, indem ich immer noch für dich da bin?
Unten. Der Vierte von links ist deiner, meine Liebe, ich habe ihn vorhin dein Zimmer genannt. Ein Holzpflock hier drin, das wäre ein übler Scherz. Nein, meine Liebe, beruhige dich, ich mache mich nicht über dich lustig. Der rote Schein des Teelichts ist ungemein romantisch: Ich habe die Kerze oben von jemanden anderem mitgenommen, nur für dich. Ich trete an dein Bett. Du schläfst ja! Du bist schön wie am ersten Tag, nur schrecklich bleich bist du geworden, du solltest öfters nach draußen; vielleicht auch einmal bei Tag. Ich sprühe Sagrotan, das Fenistil-Gel hält die Insekten fern, wenn man es dick genug aufträgt. Ich nähere mich deinen Lippen. Wie kühl dieser Kuss!
Du schweigst, ich werde dich schon auftauen. Ich lege mich zu dir ins Bett, ziehe uns den Deckel über den Kopf. Jetzt haben wir es schön warm. So still wie hier ist es nirgends.
Als ich erwache, ist es immer noch dunkel. Ich blicke auf die Leuchtziffern meiner Digitaluhr. Es ist 13:34, draußen scheint sicher die Sonne. Es ist Juli. Möchtest du mit mir hinaus? Ein bisschen Farbe tut dir gut.
Außerdem sind wir nicht allein.
Sie warten schon, draußen, ich kann die Sirenen hören, die Stimmen, die sich überkreuzen, vermischen. Auch deine Mutter ist dabei, sie ruft: „Er hat es schon wieder getan!“ Möchtest du ihr Hallo sagen?
Jetzt höre ich ihre Fußschritte. Sie kommen nach unten. Klirren. Haben mein Werkzeug gefunden. Hunde schnüffeln. Wir werden sie überraschen. Sie werden es lieben.
Ich fasse deine Hand. Wenn du nicht winken willst, winke ich für dich. Setze mein bestes Lächeln auf. Mit beiden Füßen trete ich den Deckel von uns herunter.
Deine Mutter und ich, wir schreien wirklich unheimlich laut.
2. Dez, 07:49, L.W.